Die Druckmaschine läuft seit 6.30 Uhr. Ihr unterschwellig, gleichmäßiger Rhythmus ist wie ein Herzschlag, der durchs Haus zu hören ist. Eine halbe Stunde zuvor, mit Schichtbeginn, hat das Druckteam von Wahl-Druck die belichteten Druckplatten eingespannt, die Farbkästen aufgefüllt, die entsprechenden Parameter justiert und die ersten Abzüge gedruckt. Erst als das Ergebnis dem kritischen Blick der Drucker standhält, startet die Produktion. Seitdem läuft die Maschine.
Der Auftrag: 16.000 Exemplare åla. In zweieinhalb Stunden ist der Druck durch. Danach steht ein Großauftrag an. 120.000 Auflage für einen Beipackzettel. Nach dem Druck kommen die Kollegen der Weiterverarbeitung ins Spiel. Falzen, Rillen, Binden, Stanzen. Jeder Auftrag ist individuell. »Ich bin kein Drucker, aber ich finde es faszinierend, was möglich ist und ich bin beeindruckt von dem Teamgeist, den ich hier erlebe«, gibt Tobias Sorg offen zu. Seit Ende September ist der Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH) als Insolvenzverwalter für die Geschäftsführung der Wahl-Druck GmbH zuständig, zu der auch die åla gehört. Die bis dahin tätige Geschäftsleitung stellte den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, obwohl das Unternehmen zahlungsfähig ist, zu diesem Zeitpunkt aber eine drohende Zahlungsunfähigkeit in absehbarer Zeit im Raum stand. »Eines kann ich an dieser Stelle ganz sicher sagen: es geht weiter. Auch wenn die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Moment anspruchsvoll sind und, wie bei vielen anderen Unternehmen auch, Fachkräfte fehlen. Die Produktpalette von Wahl-Druck ist stimmig, die Produkte und der Service sind richtig gut und das Team, das dahintersteht, ist kompetent und motiviert«, so Tobias Sorg.
Wenn er die Geschäftsleitung übernimmt, gibt es in der Regel für ihn viel zu tun. Er setzt sich mit Kunden und Lieferanten in Verbindung, verschafft sich einen umfassenden Überblick über Produkte, Finanzen und Potentiale. Er sucht Investoren, beziehungsweise Käufer, erarbeitet Sanierungspläne, ist Ansprechpartner für die Mitarbeiter und führt zudem das Tagesgeschäft des Unternehmens weiter. Und obwohl er das im Namen trägt, was alleine das Wort Insolvenz bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auslöst, ist er aus Erfahrung und Überzeugung Optimist.
»Ich kann verstehen, wenn Mitarbeiter sich Sorgen machen. Aber eine Insolvenz birgt auch Chancen. Sich auf Stärken und Kompetenzen konzentrieren, neue Wege gehen und mit einer besseren Struktur für die Zukunft gerüstet sein. Und: je früher der Insolvenzantrag gestellt wurde, desto besser ist die Ausgangsbasis für den Erhalt der Arbeitsplätze.« Seine Aufgabe wird es die nächsten Monate sein, den Betrieb neu zu strukturieren und so auch die Frage der Unternehmensnachfolge zu regeln. Bisher konnte keine Nachfolge für die geschäftsführende Inhaberin Petra Wahl gefunden werden, die vor rund zwei Jahren altersbedingt aus dem Unternehmen ausscheiden wollte. Die ungeklärte Nachfolgefrage lähmte alle Entscheidungen, so dass schließlich die Existenz des Unternehmens in Gefahr war. »Man muss den beiden Geschäftsführern Respekt zollen, dass sie sich in dieser frühen Phase entschieden haben, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Als ich das Unternehmen als Insolvenzverwalter übernahm, waren alle Rechnungen an Lieferanten gezahlt, die Löhne und Gehälter konnten überwiesen werden und auch laufende notwendige Investitionen konnte ich ruhigen Gewissens weiterlaufen lassen. Alles in allem ist das eine sehr gute Ausgangsbasis.« So früh Insolvenz zu beantragen, ist eher ungewöhnlich. Nur ein Prozent der Anträge beziehen sich auf eine »drohende« Zahlungsunfähigkeit. Für die Zukunft sieht Tobias Sorg Wahl-Druck nach wie vor als wesentlichen Teil der Medienlandschaft in der Region. Ein tragfähiges Konzept erarbeiten, Finanzen gewissenhaft prüfen, Mitarbeiter einbeziehen und bei Fragen Ansprechpartner sein. Weil das nicht immer nur per Mail oder per zoom geht, ist er und Verena Winter, die ebenfalls Ansprechpartnerin ist, regelmäßig in Aalen. Dass das Büro bei Wahl-Druck »nur« zweckmäßig ist, stört sie nicht. »Wir wollen ja nicht ewig bleiben und das wird auch nicht nötig sein. Ich sehe für das Familienunternehmen, das vor rund 130 Jahren gegründet wurde, eine gute Zukunft.«