Scharf wie ein Rasiermesser und perfekt ausbalanciert

Messer, die es nirgends zu kaufen gibt

In der Esse brennt es lichterloh, die Flammen leuchten hellgelb. In der Schmiedewerkstatt in der Holzleutener Straße 15 in Aalen-Reichenbach riecht es nach bearbeitetem Metall. Je näher man der Esse kommt, desto mehr spürt man die Hitze. Thomas Bischoff wirft einen Blick auf die Stahlpakete, die im Feuer glühen. »Noch ein bisschen«, sagt sein Blick. Der Schmied und Metallbaumeister Fachrichtung Metallgestaltung sieht, wann der Stahl die richtige Temperatur hat. Zwei Sorten Werkzeugstahl; jeweils vier Schichten abwechselnd übereinander gepackt. Jedes Paket gibt ein Damastmesser – selbst von Hand geschmiedet. Zwischen Stahlblock und Messer liegen zwei Tage. Zwei Tage, die unvergesslich sind. Thomas Bischoff bietet seit Jahren Messerschmiedekurse an. Für Männer und Frauen, als Firmen-Incentive, Geburtstagsgeschenk, als Junggesellenabschied-Event oder einfach nur so. Das Erlebnis an diesen beiden Tagen ist ebenso archaisch wie meditativ. Es braucht Muskelkraft und Konzentration.

Die Temperatur in der Esse beträgt etwa 1250 Grad Celsius. Heiß genug, um Stahl zum Glühen zu bringen. »Wenn das Stahlpaket kurz vor der Schmelze ist, wenn die Ränder wie Wunderkerzen leuchten, dann kann man mit dem Schmieden beginnen.« Unmittelbar neben der Esse steht der Lufthammer. Der glühende Stahl kommt auf den Amboss und im nächsten Augenblick fährt der Hammer mit aller Wucht nach unten. Die Funken sprühen und man kann die Kraft, die dahintersteckt, mit dem ganzen Körper spüren. »Der Lufthammer ist 100 Jahre alt. Ich habe ihn 2022 bei einem Hufschmid in Lenningen auf der Schwäbischen Alb gefunden. Seit Mai 2023 ist er bei uns in der Werkstatt im Einsatz«, erzählt er. Ein Jahr hat es gedauert, bis der historische Lufthammer abgebaut, zerlegt, transportiert, restauriert, wieder aufgebaut, überholt und schließlich wieder in Betrieb genommen werden konnte. Der Luft- hammer ist perfekt, um die Blöcke miteinander zu verbinden und den Stahl zu verdichten. Zudem ist das 100jährige

 

Ungetüm, das wie ein alter Lanz Traktor klingt, wenn es läuft, ein Stück Schmiedegeschichte. Die Firma Bêché und Grohs setzte Anfang des 20. Jahrhunderts damit Maßstäbe, was Qualität und Handhabbarkeit betrifft. »Dieser hier wurde in Stuttgart gebaut und kostete im Jahr 1923 stolze 4.970 Mark. Bis 1943 war er in Dettingen/Teck im Einsatz, dann wurde er im Krieg be- schädigt. 1948 haben ihn die Besitzer wieder aufgebaut.« Erst im Jahr 2000 kam der Lufthammer zu einem Wagenschmied auf der Alb, wo ihn Thomas Bischoff fand und sofort in sein Schmiedeherz schloss. Der Lufthammer schlägt mit der Wucht von 300 Kilo zu und das 200 Mal in der Minute. Trotz dieser Kraft lässt er sich präzise steuern. Unter Anleitung darf jeder ran. Schmieden, zusammenklappen, in der Esse wieder auf Temperatur bringen, erneut schmieden, erneut zusammenklappen und wieder unter den Lufthammer. Mit Kraft und Fingerspitzengefühl wird das klobig glühende Stahlpaket nach und nach flach und flacher. Nach vier Durchgängen hat der Stahl 72 Lagen. Er ist bereit zur Weiterverarbeitung und er hat das Muster, das für ein Damastmesser charakteristisch ist. »Bei uns im Kurs entsteht das typische Muster des wilden Damasts, bei dem die Zeichnung jeder Klinge einzigartig ist. Die Teilnehmer staunen, wenn nach dem Ätzen der Klinge, das Muster zum Vorschein kommt. Mit dieser Herstellungsart, die perfekt für Einsteiger ist, lässt sich die Optik im Detail nicht bestimmen, was es bis zum Schluss spannend macht.« Schmiedeprofis wie Thomas Bischoff können während des

Schmiedevorgangs bestimmen, wie das Muster aussehen soll. Je nach Technik entstehen Leitermuster, tropfen-, rosen-, stern-, oder federförmige Muster. Wird der heiße Stahl vor dem Schmieden ineinander verdreht, entsteht ein spiralförmiges Muster, das an eine Kordel erinnert. Muster, die faszinieren und die handwerkliches Können voraussetzen. Auf Wunsch fertigt er Messer mit den verschiedenen Musterungen an, im Kurs bleibt es beim wilden Damast. »Ein Damastmesser ist immer etwas Besonderes, ebenso wie die Handwerkskunst, die dahinter steckt. Es gibt Messer, die bestehen aus tausenden Lagen Stahl; manches Langschwert eines Samurais hat bis zu einer Million Lagen. Genauso ist das mit den Mustern. Es gibt Schmiedemeister, die können ein Wappen oder ein anderes Motiv in eine Klinge einarbeiten«, erzählt er und die Bewunderung dafür, lässt sich von seinem Gesicht ablesen. Wer ein handgefertigtes Messer sein Eigen nennen möchte, dafür aber nicht selbst an Esse und Lufthammer stehen möchte, dem nimmt sich Thomas Bischoff an. Auf Wunsch fertigt er alle Arten von Messer an, inklusive Wunschmuster, ausgenommen konkreter Motive.

Nach zwei Tagen ist das selbstgeschmiedete Messer fertig. Der Griff aus europäischem Holz, perfekt ausbalanciert, die Klinge aus Damaststahl,
scharf wie eine Rasierklinge.