Elsbeth Schönbohm-Keller

Die Künstlerin und das Proviantamt

  • Elsbeth Schönbohm-Keller in jungen Jahren
  • Handstudie
  • Elsbeth Schönbohm-Keller im Atelier

Während im Erdgeschoss des Gebäudes Ulmer Straße 80  Menschen in den Geschäften aus und eingehen, ist einen Stock tiefer von all dem nichts zu bemerken. In die Kellerräume dieses Proviantamt-Gebäudes dringt weder das Tageslicht, noch ein Geräusch von oben. Hier scheint die Zeit stillzustehen und wahrscheinlich hat gerade deswegen ein kleiner aber umfangreicher künstlerischer Schatz die letzten 60 Jahre überdauert. Zwischen altem Büromobiliar und Kisten mit dies und jenem, ist der Schatz nur sichtbar, wenn man die grelle Kellerbeleuchtung einschaltet. Dann erblickt man farbenfrohe Gemälde, die verschiedene ländliche Szenen zeigen, wie ein Mädchen, das im Wald Holz und Pilze sammelt oder ein Paar, das sich zu imaginären Klängen im Tanze wiegt. Rund 40 der Pilzsäulen, die die Last des Gebäudes abstützen, zieren die verschiedensten farbigen Gemälde. Die Frau, die den klobigen Säulen durch ihre bunten Gemälde mit den fröhlichen Szenen etwas Leichtes und Unbeschwertes gab, war Elsbeth Keller-

Schönbohm. In den 1950er Jahren begann die Malerin und Bildhauerin die Säulen zu bemalen, um den großen Kellerraum, der damals sehr wahrscheinlich als Aufenthaltsraum oder Kantine diente, freundlicher zu gestalten. Kurz nach dem Krieg bauten in den Gebäuden des Proviantamtes vor allem Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Gebieten im Osten des Dritten Reiches Unternehmer auf. Eine Filiale der Greiff-Werke, die einst im niederschlesischen Greiffenberg ihren Sitz hatte und Berufsbekleidung herstellte, war im ehemaligen Heeres-verpflegungsamt ansässig, ebenso wie der Taschentuchhersteller Pelo-Pilz, der im sudetendeutschen Hohenelbe seinen ursprünglichen Sitz hatte. 

Als Elsbeth Schönbohm-Keller die Säulen bemalte, war sie bereits über 50 Jahre und eine etablierte Künstlerin. Gemeinsam mit ihrem Mann Herbert Schönbohm, der Berufsschullehrer und ebenfalls Künstler war, lebte sie seit Ende der 1920er Jahre in

Aalen. Während Herbert Schönbohm impulsiv und dynamisch vor allem Landschaften malte, schuf sie Plastiken und Gemälde, die Harmonie, Ruhe und oft auch eine gewisse Melancholie ausstrahlen. Elsbeth Schönbohm kam 1901 in Tübingen zur Welt, wuchs in einer kunstsinnigen Familie auf und studierte in Stuttgart an der Akademie Malerei und Bildhauerei. Dort lernte sie ihren späteren Mann kennen, den sie 1925 nach ihrem Abschluss an der Akademie heiratete. 1927 zogen sie nach Aalen, wo ihre fünf Kinder zur Welt kamen und wo sie 1992 starb. In ihre künstlerischen Fußstapfen traten unter anderem auch ihre heute 90jähige Tochter Dietlinde Meyer-Schönbohm und ihr Enkel Volkmar Meyer-Schönbohm, der Keramikkünstler ist und gemeinsam mit seiner Frau das Keramikatelier in Aalen-Reichenbach, in der Goldbachstraße 68 betreibt.



Die Werke von Elsbeth Schönbohm-Keller, ganz gleich ob Gemälde oder Plastiken, sind in ihrer Darstellung naturgetreu. Die Proportionen stimmen und es gibt keine Verzerrung oder Stilisierung. Stattdessen haben sie eine Seele, die aus den Werken herausschaut und den Betrachter anspricht. Ihre Bilder und ihre Plastiken geben nicht den Ausdruck der Künst-lerin wieder, sondern lassen in das Innere der dargestellten Personen blicken. Die sind meistens in sich gekehrt, nachdenklich, versunken, wirken melancholisch, verträumt und geben sich unbeobachtet. Es scheint so, als hätte sie nicht nur das reine Äußere, sondern das Wesen und damit das Wesentliche eines Menschen dargestellt. Diesen Ansatz als persönlichen Stil auszubauen und aufrechtzuer-halten, war in den 1920er Jahren gar nicht so einfach. Die Ideale der Kunst dieser Zeit waren impressionistischer Natur, das heißt, es

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